
Doreen Rietentiet unterstützt seit über 15 Jahren Technologie-Startups und VCs im Klima- und Energiebereich – als Kommunikationsberaterin, Netzwerkaktivistin und Akteurin auf vielen Ebenen der grünen Transformation. Als Gründerin verschiedener Agenturen und Initiativen, wie DWR eco, Climate Tech Talents bis hin zu „Womxn for Climate Tech & Innovation“. Sie steht für Vielfalt, Wirkung und Skalierung für eine nachhaltige Wirtschaft. In diesem Gespräch wollen wir von ihr erfahren, was genau sie antreibt, welche Entwicklungen ihr Hoffnung machen und wie wir als Bürger:innen selbst aktiv werden können.
EEAktuell: Frau Rietentiet, wie sind Sie persönlich in den Klimabereich eingestiegen – und was treibt Sie heute an, sich so vielseitig für grüne Innovation einzusetzen?
Doreen Rietentiet: Ich bin 2005 durch Zufall zu den Erneuerbaren Energien gekommen. Die Agentur für Erneuerbare Energien unter Schirmherrschaft des großartigen Klaus Töpfers wurde gestartet und man suchte jemanden mit Medienkompetenz, um das Thema in die Breite zu bekommen und mehr Akzeptanz für EE in der Bevölkerung zu schaffen. Zu dem Zeitpunkt wurden weniger als 5% EE ins Netz gespeist und es gab extrem viel Gegenwind von den “Fossilen”, die sich auf einmal sehr bedroht fühlten. Es waren spannende Zeiten und wir konnten sehr schnell sehr viel erreichen. Aus den Erneuerbaren wurde Cleantech und daraus dann irgendwann Climatetech und jetzt drehen wir das Rad wieder zurück zum Ursprung. Persönlich finde ich es gut, dass Sicherheit und wirtschaftliche Stabilität wieder im Mittelpunkt stehen und nicht mehr so sehr das Klima. Ich meine damit nicht, dass wir uns nicht mehr für den Klimaschutz einsetzen sollen, aber in der Industrie wurde Klimaschutz zu Iange mit dem Freikaufen von CO2 Zertifikaten verwechselt und so an fossilen Geschäftsmodelle festgehalten. Aus meiner Sicht kann eine Sicherheit und wirtschaftliches Wachstum ausschließlich durch den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren erreicht werden und durch den Aufbau eigener nachhaltiger Wertschöpfungsketten.
EEAktuell: Sie arbeiten eng mit Startups zusammen, die neue Lösungen für Klimaschutz und Energieeffizienz entwickeln. Welche dieser Innovationen könnten schon bald auch den Alltag von Verbraucher:innen spürbar verbessern?
Doreen Rietentiet: Von der Wärmepumpe bis hin zu Solaranlagen und Batteriespeicher und Energiemanagement-Software oder auch E-Fahrräder und Apps gibt es extrem viele Lösungen, die das Leben von Verbraucher:innen verbessern. Mir geht es dabei vorwiegend um den positiven Impact für Mensch und Umwelt, der durch Technologien geleistet wird. Bestes Beispiel ist das E Auto. In Städten wie Shanghai kann man an einer Hauptstrasse im Cafe sitzen und ganz normal telefonieren, da nur noch E-Autos unterwegs sind. Das ist in Berlin noch nicht möglich, da brummt es noch ganz schön auf den Straßen.
EEAktuell: Sie engagieren sich stark für Diversität und Chancengleichheit im Klima-Tech-Bereich. Warum ist das nicht nur aus Gerechtigkeitsperspektive wichtig, sondern auch für bessere Lösungen?
Doreen Rietentiet: Gute Frage. Es geht mir tatsächlich nicht aus Prinzip um Gleichberechtigung, sondern die Einbindung der “anderen” 50% der Bevölkerung in Wirtschaft, Politik usw. ist ein entscheidender Faktor für das Wirtschaftswachstum. Untersuchungen zeigen immer wieder, dass Unternehmen mit mehr Frauen im Management profitabler sind. Außerdem wurde eine positive Korrelation zwischen Diversität in Führungspositionen und verbesserter finanzieller Leistung bewiesen, wobei sogar von Frauen geführte Unternehmen besser abschneiden als ihre von Männern geführten Pendants.
EEAktuell: Immer mehr junge Menschen suchen einen Job mit Sinn und im besten Fall mit positivem Klimaeinfluss. Welche Kompetenzen und Haltungen helfen dabei, in diesem Bereich Fuß zu fassen, auch ohne technischen Hintergrund?
Doreen Rietentiet: Einen Job mit Sinn kann man überall finden und man kann auch in jedem Job versuchen, einen “Impact” zu generieren. Als Lehrer kann man dafür sorgen, dass Kinder entsprechend über den Klimawandel aufgeklärt werden und diese Themen auch nach Hause tragen. Es gibt zum Beispiel Organisationen, wie Acker e.V. oder auch oitibo, die hier einen super Job leisten und Lehrer bzw. Schulen dabei unterstützen, die Kids zu den Themen rund um das Klima abzuholen.
Ich glaube Motivation und Haltung sind wichtiger als Kompetenz. Ich plädiere zum Beispiel auch dafür, nicht immer zu Unternehmen oder Organisationen zu wechseln, die schon “grün” und nachhaltig sind, sondern lieber in Unternehmen bleiben, die es noch werden müssen und dann von innen heraus die Veränderung antreiben. Das ist der viel größere Impact.
EEAktuell: Viele Menschen wünschen sich mehr politische Klarheit und mehr Tempo beim Klimaschutz. Was können wir als Bürger:innen tun, um den Wandel zu unterstützen – abseits vom Kreuz auf dem Wahlzettel?
Doreen Rietentiet: Das Kreuz ist der wichtigste Hebel. Ansonsten einfach smarte Kaufentscheidungen treffen: nicht von Shein oder Temu kaufen, Wechseln zu einem Ökostromanbieter oder die eigene Solaranlage auf dem Dach. Weniger Konsum, weniger Fliegen, weniger Fleisch essen. Ich glaube die Liste ist lang, aber der größte Hebel ist tatsächlich die Politik. Wenn die entscheidet (wie aktuell der Fall), dass Flugkerosin billiger werden soll mit Hilfe von Subventionen, fliegen halt noch mehr Leute nach Mallorca und das ist auch verständlich. Wenn die Politik entscheidet, es gibt einen Industriestrompreis, womit faktisch fossile Energien gefördert werden, dann wird das den Ausbau der Erneuerbaren Energien auf jeden Fall verlangsamen. Abgesehen davon, liegen die meisten schädlichen Emissionen im Industriebereich und das kann nur durch die Politik reguliert werden.
EEAktuell: Zum Abschluss: Welchen Tipp geben Sie Menschen, die sich persönlich engagieren oder sogar ein eigenes kleines Projekt im Nachhaltigkeitsbereich starten möchten, aber noch nicht wissen, wo sie anfangen sollen?
Von einer Initiative zum Plastiksammeln in der eigenen Stadt oder am Meer bis hin zur eigenen Balkonsolaranlage ist alles möglich. Man kann sich aber auch als Volunteer bei den vielen NGOs, wie oben Acker e.V. engagieren. In jeder Region gibt es existierende Initiativen zum Klimaschutz, ich glaube wenn man will, findet man etwas und auch Mitstreiter. Oder aber man gründet sein eigenes Start Up. Dabei können wir dann gern helfen.
Fazit
Doreen Rietentiet spricht über Nachhaltigkeit nicht als Ideal, sondern als Aufgabe, die sich mit Leben füllen lässt und das in Unternehmen, im politischen Raum und im Privaten. Ihre Antworten verdeutlichen, wie Klimainnovation entsteht: durch praktische Lösungen, Offenheit für neue Allianzen und eine klare Haltung. Für alle, die etwas verändern wollen, liefert sie konkrete Anknüpfungspunkte, ob als Konsument:in, Berufseinsteiger:in oder engagierte Bürger:in.