Wie wirkt eigentlich unser Geld?

Ein Interview mit Niklas Krämer

21. 08. 2024

Niklas Krämer

  • Finance 4 Future
  • WertWende GmbH
  • Wirkungsorientierte Geldanlagen

Niklas Krämer ist studierter Ingenieur, den es auf der Suche nach Wirkung in seiner Arbeit zu Finanzmärkten getrieben hat. In seinem Podcast Finance 4Future wollte er ein wachsendes Publikum anfänglich nur mitnehmen auf seiner Lernreise. Inzwischen leistet er über den Kanal unabhängige Bildungsarbeit zu Finanzen und nachhaltigen Geldanlagen mit Vorträgen an Hochschulen und Universitäten. Vor 2 Jahren hat er die Beratungsfirma WertWende GmbH mitgegründet, in der er mit seinen sechs Kolleg:innen wirkungsorientierte Geldanlagen ins Zentrum stellt.

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Wie wirkt eigentlich unser Geld?

Wir haben mit Niklas Krämer, dem Gründer von Finance 4Future, über die Bedeutung nachhaltiger Geldanlagen gesprochen. In diesem Interview gibt uns Herr Krämer Einblicke in seine Motivation und Ziele, wie sich sein Denken im Laufe der Jahre verändert hat, und seine wichtigsten Erkenntnisse aus der Arbeit mit Finance 4Future. Wir beleuchten auch die Wirkung von Geldanlagen, die Bedeutung von Stimmrechten und alternative Impact Investments. Abschließend teilt Herr Krämer seine Wünsche und Empfehlungen für Anleger:innen, die ihre Investitionen nachhaltig gestalten möchten.

EEAktuell: Was hat Sie dazu bewegt, Finance 4Future zu gründen und sich auf nachhaltige Geldanlagen zu fokussieren? Gab es ein Schlüsselerlebnis oder einen bestimmten Auslöser?

Niklas Krämer: Persönliche Neugier, viel Zeit zu den Covid-Anfängen und meine Suche nach beruflichem Sinn. Neben meinem Maschinenbau-Master habe ich zunächst angefangen mich für mich mit dem Thema Finanzen zu beschäftigen. Ich war wenige Monate zuvor in einer “Beratung” des dreibuchstabigen Finanzvertriebs gelandet, der so berühmt/berüchtigt für seine Akquise an Hochschulen ist. Anführungszeichen deswegen, weil das eher Verkauf war als Beratung. Ein gutes Gefühl hatte ich von Anfang an nicht, aber im Vergleich zu den Finanzprodukten meiner lokalen Sparkasse, waren die Produkte selbst schon gut, wie ich auch heute rückblickend bestätigen kann.

Das Thema Finanzwissenschaft und ETFs hat mich dann als erstes gecatched. Als Ingenieur ist man Optimierungen im Größenbereich Null-Komma-X Prozent gewohnt. Die Finanzbranche ist allein aus dem Grund sehr faszinierend, dass sich dort noch an so vielen Stellen Inkompetenz und schlechte Produktqualität ballen. Irgendwann habe ich dann begriffen, welche Macht eigentlich im Kapitalmarkt steckt und dass wir alle mit unserer Geldanlage etwas Positives bewirken können. Da verlor dann die Perspektive Ingenieur schnell seinen Reiz für mich.

Finance 4Future begann dann eigentlich lediglich als Dokumentation meiner eigenen Lernreise. Ich habe dann recht schnell gemerkt, dass der einfachste Weg, Vollzeit an diesen Themen arbeiten zu können, tatsächlich in der Finanzberatung steckt. Nach einem Jahr bei einer der ersten unabhängigen Maklern, die sich der Nachhaltigkeit verschrieben haben, hat sich die Gelegenheit geboten, die WertWende als Beratungsfirma mitzugründen. In dem Zuge konnte ich F4F immer weiter als Bildungsinitiative emanzipieren, die sich inzwischen auch einigermaßen wirtschaftlich selbst trägt über Honorare für Vorträge bei Bildungsträgern und den Podcast.

EEAktuell: Welche Vision verfolgen Sie mit Finance 4Future und was möchten Sie damit langfristig erreichen?

Niklas Krämer: Meine Vision ist, dass sich jeder Mensch als selbstwirksamer Teil der Gesellschaft begreift und seine/ihre Geldanlage als großen Hebel erkennt, wie auch der eigene Konsum und die politische Stimme. Dafür möchte ich auf meine Art und Weise der Finanzbildungslandschaft in Deutschland ein Angebot hinzufügen. 

Einerseits will ich dabei den Aspekt der Nachhaltigkeit selbstverständlich mit Finanzthemen verbinden. Andererseits will ich über den Begriff Impact Investing Menschen abholen, die Vorbehalte gegenüber Finanzen haben. Das haben sie zwar wie ich finde oft zurecht, aber in der Regel werden falsche Schlüsse daraus gezogen.

EEAktuell: Hat sich Ihr Denken über nachhaltige Investitionen und deren Wirkung im Laufe der Jahre verändert?

Niklas Krämer: Absolut. Ich kann mich noch erinnern, wie angetan ich anfangs von einem Produktanbieter war, der mit einem sehr datenbezogenen Ansatz überzeugte. Heute weiß ich, dass es in diesem konkreten Fall genau nicht die (für mich) relevanten Daten waren, die dabei betrachtet werden. Der seriöse Eindruck dieser einen Firma wird immerhin dadurch bestätigt, dass sie auf Nachfrage nach den relevanten Daten auch transparent antworten.

Das sehe ich in meinem Thema tatsächlich öfter, das gerade sehr vom Thema überzeugte, junge Menschen schnell auf Halbwahrheiten stoßen und auf der Basis oft schon in den Markt treten. Wie gesagt, der Finanzberatungsmarkt ist inhaltlich im Schnitt auch sehr schwach besetzt und das Niveau der Finanzbildung in Deutschland ist gering. So reicht Halbwissen oft schon aus, um als Experte wahrgenommen zu werden.

Was ich damals erst noch herausfinden musste: es gibt universitäre Lehrstühle, die sich rein dem Thema nachhaltige Finanzen widmen. Es gibt einen lebhaften akademischen Diskurs über Fragen wie zur realwirtschaftlichen Wirkung von nachhaltigen Geldanlagen. Nur auf dieser Basis lässt sich valide argumentieren.

EEAktuell: Welche Key Learnings haben Sie aus Ihrer bisherigen Arbeit mitgenommen?

Niklas Krämer: Voting Matters. Dieser Titel der für Privatanleger:innen wohl wichtigsten Studie bringt es auf den Punkt: Bei Investitionen in Aktien-Fonds/ETFs ist aus Nachhaltigkeits-Sicht die Wahl des Produktanbieters wichtiger als die des Produkts. Denn als Aktionär:innen sind wir Miteigentümer:innen der investierten Unternehmen und haben Mitbestimmungsrechte. Investieren wir in Fonds/ETFs, übertragen wir unsere Stimmrechte automatisch an den Fondsmanager. Und diese Stimmrechte sind das, was laut dem akademischen Diskurs viel wichtiger ist als die Frage, in welche Unternehmen investiert wird – wenn es einem um eine tatsächlich positive Wirkung geht.

EEAktuell: Neben Aktien und Fonds gibt es auch alternative Impact Investments. Können Sie einige Beispiele nennen und erläutern, wie diese wirken?

Niklas Krämer: Im Bereich der alternativen Investments reichen die Lösungen von Impact Start-up Investments über Crowdinvesting zum Repowering von Turbinen bei Windrädern bis hin zu Genossenschaften, die Regenwald wieder aufforsten und ökologisch verträglich einzelne Bäume entnehmen und Edelhölzer verkaufen, um eine Rendite zu erwirtschaften.

Das Schöne hier ist, dass im Gegensatz zur Börse, an der Aktien und ETFs gehandelt werden, die Verbindung von Kapital und Unternehmung deutlich enger ist. Hier macht mein Euro tatsächlich einen Unterschied, während sich die Wirkung von “green stock picking” an der Börse eher mit der einer Sportwette vergleichen lässt: Nur weil ich auf Sieg des FC Bayern Münchens wette, macht es das nicht mehr oder weniger wahrscheinlich.

Der große Nachteil ist, dass – ebenfalls im Gegensatz zu z.B. einem Aktien-ETF an der Börse – bei alternativen Investments das Risiko eines Totalausfalls besteht. Verbraucherzentralen und Organisationen wie Finanztip waren durchaus zurecht vor den Gefahren des sogenannten “grauen Kapitalmarkts”.

Ich empfehle hier immer gern einen “Core-Satellite”-Ansatz: Mindestens 80 % des Geldes werden in planbare Investments gesteckt (Core). Bis zu 20 % kann man auch in alternative “Satellites” investieren. Diese können am Ende das Gesamt-Portfolio sogar verbessern und stabilisieren und bringen auch aus Nachhaltigkeits-Sicht manchmal die Freude, die es für einige vielleicht braucht, um sich überhaupt mit dem Thema Finanzen zu beschäftigen.

EEAktuell: Welche Impact Investment Angebote haben Sie besonders beeindruckt und warum?

Niklas Krämer: Ich persönlich nutze den Begriff “Impact Investment” gern für jede Investition, die einen empirisch nachgewiesenen Wirkungskanal bedient. Nach der Definition hat mich am meisten die Arbeit eines Fondsmanagers aus der Schweiz beeindruckt, der sich wirklich beispiellos für die Aufarbeitung von Kontroversen wie Tierversuche in der Pharmaindustrie und nachhaltige Ausrichtung von großen Unternehmen wie dem Hamburger Kupfer-Hersteller Aurubis oder dem dänischen Energieversorger Orsted einsetzt.

Die Academia beschränkt die Wortnutzung in der Regel auf Investitionen, bei denen das Investmentobjekt – also die Firma oder das Projekt – eine intrinsische nachhaltige Absicht haben. Hier sind wir dann bei den genannten alternativen Geldanlagen, die ich aber hier bewusst erst an zweiter Stelle benennen möchte, da sie für Privatanleger:innen immer nur Ergänzung sein sollten. Ich bin großer Fan von Impact Start-ups. Die Kölner Plattform Capacura hat den juristischen Spagat geschafft, dass Privatanleger:innen quasi in Impact Start-ups investieren können. Ansonsten beeindruckt mich das Vorhaben von The Generation Forest, die eines der ganz seltenen, tatsächlich durchdachten Konzepte im Bereich der Waldinvestments vorweisen können. Beide waren bei mir im Finance 4Future-Podcast schon zu Gast. Interessierten kann ich die Folgen wärmstens empfehlen.

EEAktuell: Gibt es bestimmte Themen oder Bereiche, die Sie gerne stärker in den Fokus rücken möchten?

Niklas Krämer: Ich habe tatsächlich die Herausforderung, dass ich im Finance 4Future-Podcast inhaltlich immer tiefer gekommen bin und es in den neueren Folgen teils nicht mehr schaffe, auch die kompletten Neulinge abzuholen. Insofern möchte ich bei F4F mehr allgemeine Finanzbildungsthemen behandeln und von dort immer wieder den Bezug zu Nachhaltigkeit und Impact herstellen.

Dem:r gewitzten Leser:in kommt vielleicht die Idee, im Finance 4Future-Podcast eher etwas vorne anzufangen, aber inzwischen 70 Folgen sind natürlich abschreckend komplett durchzusehen. Für einen guten Einstieg empfehle ich immer gern Folge 27.

EEAktuell: Welche Botschaft möchten Sie uns mit auf den Weg geben, insbesondere in Bezug auf nachhaltige Investitionen und deren Wirkung?

Niklas Krämer: Voting Matters. Bei Aktienfonds und ETFs zählt die Wahl Ihrer Produktanbieter mehr als die der Produkte selbst. Einen MSCI World (ob mit SRI=social responsible investing=Ölkonzerne, Waffenhersteller & Co ausgefiltert) gibt es sowohl von iShares und Vanguard, als auch von Amundi und BNP Paribas. Erstere sind Tochter des US-Konzerns Blackrock mit zurecht schlechtem Ruf. Zweitere haben zwar die sehr verbraucherfreundlichen ETFs erfunden, nutzen ihre Stimmrechte bei den investierten Unternehmen aber noch desaströser (laut Voting Matters 2023 gegen 97 % aller Nachhaltigkeits-bezogenen Tagesordnungspunkte).

Bleiben Sie kritisch und stellen Sie vermeintlichen Expert:innen schwierige Fragen. An der Art und Weise, wie sie beantwortet werden (und wie auch mit Lücken umgegangen wird!), merkt man dann doch oft, woran man ist. Wer Finanzberatung mit Nachhaltigkeitsexpertise sucht, kann sich natürlich an mich und meine Kollegen bei der WertWende wenden. Ansonsten finden sich auch im Ökofinanz-21-Netzwerk gute Branchenkolleg:innen in ganz Deutschland.

Das Gespräch mit Niklas Krämer zeigt eindrucksvoll, wie viel Einfluss nachhaltige Geldanlagen tatsächlich haben können. Es wird deutlich, dass es nicht nur darum geht, in „grüne“ Produkte zu investieren, sondern auch darum, die Macht der Stimmrechte bei Fonds und ETFs zu nutzen. Herr Krämer unterstreicht, wie wichtig es ist, kritisch zu bleiben und bewusst Entscheidungen zu treffen, wenn es um nachhaltige Finanzen geht. Wer seine Geldanlagen bewusst in diese Richtung lenkt, kann nicht nur finanzielle Ziele erreichen, sondern auch einen echten positiven Unterschied in der Welt machen.