
Karsten Kührlings leitet die GLS Investment Management GmbH, die aus dem Fondsbereich der GLS Bank hervorgegangen ist und heute rund 1,7 Milliarden Euro nachhaltig verwaltet. Das Unternehmen investiert in Unternehmen und Projekte, die klar definierte Positiv- und Ausschlusskriterien einhalten, vom erneuerbaren Energieprojekt bis hin zu innovativen Unternehmen der Gesundheitsbranche. Im Gespräch sprechen wir darüber, wie nachhaltige Kapitalanlage in der Praxis funktioniert und welche Rolle aktive Einflussnahme auf Unternehmen spielt.
EEAktuell: Herr Kührlings, Sie haben den Fondsbereich der GLS Bank maßgeblich aufgebaut und führen nun die GLS Investment Management GmbH. Was hat sich mit der neuen Struktur verändert und was ist gleichgeblieben?
Karsten Kührlings: Die GLS Bank Gruppe gehört hinsichtlich ihres Nachhaltigkeitsverständnisses zu den strengsten Akteuren am Finanzmarkt. Mit der Gründung der GLS Investments konnten wir die extrem hohe Nachfrage nach nachhaltiger Geldanlage gemäß der GLS-Standards besser bedienen. Als eigenständige GmbH haben wir mehr Gestaltungsspielraum und können uns seitdem schneller den äußeren Gegebenheiten anpassen. Dass wir uns am Leitprinzip der GLS Bank orientieren, ist heute wie damals natürlich unverändert gegeben: Wir verstehen Geld als soziales Gestaltungsmittel. Durch das Investieren in unsere Fonds soll Kapital in die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft gelenkt werden.
EEAktuell: Nachhaltigkeit ist für Sie kein Etikett, sondern Kern der Investmentphilosophie. Wie stellen Sie sicher, dass Nachhaltigkeitskriterien konsequent umgesetzt werden?
Karsten Kührlings: Wir haben einen eigenen mehrstufigen Selektionsprozess entwickelt, um Nachhaltigkeit bei unseren Investments umfassend und stringent umzusetzen. Neben Positiv- und Ausschlusskriterien setzen wir auf einen sorgfältigen Prüfprozess durch unser Investmentteam, bei dem jedes Unternehmen einzeln durchleuchtet wird. Zuletzt überprüft der GLS Anlageausschuss, ein unabhängiges Gremium aus Nachhaltigkeitsexperten, die möglichen Investments und entscheidet über deren Aufnahme in das GLS-Anlageuniversum.
Um unvorhergesehene Entwicklungen zu berücksichtigen, nehmen wir alle Emittenten im Anlageuniversum regelmäßig unter die Lupe. So bleiben wir flexibel und können Investments aus dem Anlageuniversum wieder ausschließen, sollte ein Unternehmen mit einem Kurswechsel bei seinen Geschäftsgebaren unseren Nachhaltigkeitsprinzipien widersprechen. Bevor das geschieht, versuchen wir jedoch mit dem Unternehmen in einen Dialog (Engagement) zu treten, um auf die Fehlentwicklung hinzuweisen und eventuell eine Kurskorrektur zu bewirken. Für uns bedeutet Nachhaltigkeit zudem auch höchstmögliche Transparenz gegenüber unseren Anlegern.
Wir gehen weit über die gesetzlichen Pflichtanforderungen hinaus und veröffentlichen auf unserer Homepage, in den Bank-Publikationen und den jährlichen Fonds-Investitionsberichten Informationen dazu, in welche Unternehmen und Projekte wir investiert sind und welche Unternehmen nicht mehr unseren Kriterien entsprechen.
EEAktuell: Sie setzen stark auf aktives Engagement, unter anderem im Netzwerk Shareholders for Change. Können Sie ein Beispiel nennen, wie dieses Engagement tatsächlich Veränderungen in Unternehmen bewirkt hat?
Karsten Kührlings: Wenn kontroverse Geschäftspraktiken bekannt werden, treten wir gemeinsam mit anderen Mitgliedern des Netzwerks in den aktiven Dialog mit dem jeweilig betroffenen Unternehmen. Ziel ist es, Transparenz zu schaffen, Veränderungen anzustoßen und nachhaltige Standards zu fördern.
Ein Beispiel ist die niederländische Genossenschaftsbank Rabobank, die über eine brasilianische Tochtergesellschaft in die Kritik geraten ist. Ihr wurde vorgeworfen, Kredite vergeben zu haben, die mittelbar Entwaldung und die Verletzung von Landrechten indigener Gemeinschaften begünstigt haben könnten. Im Dialog hat die Rabobank einen umfassenden Ansatz zur besseren Risikoüberwachung vorgestellt und angekündigt, ihre internen Richtlinien zu überarbeiten, um künftig klarer mit solchen Fällen umgehen zu können. Einige Fragen, etwa zur Beendigung von Geschäftsbeziehungen bei Verstößen, sind jedoch noch ungeklärt – hier bleiben wir im Gespräch.
Ein weiteres Beispiel ist der dänische Energiekonzern Ørsted A/S, der in einigen unserer Fonds vertreten ist. Nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs hatte die dänische Regierung Ørsted als Mehrheitsaktionärin dazu gedrängt, drei Kohlekraftwerke wieder hochzufahren. Gemeinsam mit Shareholders for Change sind wir in den Dialog mit dem Unternehmen getreten und haben eine klare Ausstiegsstrategie aus der Kohleenergie gefordert. Mit Erfolg: Am 31. August 2024 wurde das letzte der drei Kohlekraftwerke abgeschaltet.
EEAktuell: Sind für Sie Rüstungsaktien mit nachhaltigem Investieren vereinbar?
Karsten Kührlings: In meinen Augen ist es verwerflich, dass mittlerweile auch einige als nachhaltig eingestufte Fonds Rüstungsaktien in ihr Portfolio aufgenommen haben. Diese Entwicklung ist für das gesamte Segment der nachhaltigen Fonds bedenklich. Wenn es keine klaren Investmentprinzipien für das nachhaltige Investieren gibt, können Themen, die per se nicht nachhaltig sind, über Nacht, weil es gerade allgemein im Trend liegt, als nachhaltig deklariert werden. Dazu gehören auch Rüstungsaktien. Da Waffen Menschen und Lebensräume zerstören können, widersprechen sie dem Prinzip der Nachhaltigkeit, das den Schutz des Menschen und der Natur beinhaltet. Darüber hinaus ist es Aufgabe des Staates, für Sicherheit und Wehrhaftigkeit zu sorgen und nicht die der Aktionäre, da sowieso kein Geld durch die Aufnahme von Rüstungsunternehmen in ESG-Fonds in die Verteidigung fließt. Das ist reines Greenwashing für Rüstungsfirmen, um neue Absatzkanäle für deren Aktien zu erschließen. Deshalb sind Rüstungsaktien im nachhaltigen Fonds ein No-Go für uns.
EEAktuell: Viele Privatanleger:innen wollen nachhaltiger investieren, scheuen aber höhere Risiken oder längere Kapitalbindungen. Wie kann man Ihre Produkte strategisch ins eigene Depot einbauen, ohne die Balance zu verlieren?
Karsten Kührlings: Dass nachhaltige Fonds mehr Risiko bedeuten, ist mittlerweile widerlegt. Es konnte das Gegenteil bewiesen werden: Auf lange Sicht erzielen nachhaltige Fonds mindestens eine genauso hohe oder höhere Rendite als konventionelle Fonds. Bei GLS Investments gibt es eine breite Palette an nachhaltigen Fonds, die sich hinsichtlich ihres Rendite-Risiko-Profils und der Kapitalbindung unterscheiden. Neben dem Nachhaltigkeitsfokus (z.B. breiter nachhaltiger Aktien-, Themen- oder Mikrofinanzfonds) sollten Anleger abwägen, wie viel Risiko sie eingehen wollen. Es sollte klar sein, dass ein Aktienfonds mit höheren Renditechancen, aber auch höherem Risiko einhergeht als ein Renten- oder Mikrofinanzfonds.
EEAktuell: Regulatorik wie EU-Taxonomie oder SFDR wird oft als komplex empfunden. Welche dieser Entwicklungen sind für Anleger:innen Ihrer Meinung nach wirklich entscheidend?
Karsten Kührlings: Durch die Regulatorik soll auch Anlegerschutz gewährleistet werden. Die aktuelle Entwicklung, verschiedene EU-Nachhaltigkeitsgesetze in einer Verordnung, dem sogenannten Omnibus-Paket, zu bündeln und zu vereinfachen, ist einerseits zu begrüßen. Denn Unternehmen sollten durch die Erfüllung der Verordnungen nicht ersticken – weder organisatorisch noch finanziell. Auf der anderen Seite sollte darauf geachtet werden, dass die Gesetze nicht zu sehr aufgeweicht und weiterhin effektiv genug sind, um einen echten Wandel der Wirtschaft hin zu nachhaltiger Transformation zu unterstützen. Wenn hinterher nur ein zahnloser Papiertiger herauskommt, hilft das niemandem.
EEAktuell: Zum Abschluss: Wenn Sie einem:r Privatanleger:in drei Denkanstöße für wirksames, nachhaltiges Investieren mit auf den Weg geben könnten, welche wären das?
Karsten Kührlings:
- Nur weil Nachhaltigkeit und nachhaltiges Investieren aktuell in der Tagespolitik in den Hintergrund gerückt sind, bedeutet es nicht, dass die Umwelt- und sozialen Herausforderungen unserer Zeit wie der Klimawandel weniger wichtig geworden sind.
- Durch nachhaltiges Investieren können nachhaltige und finanzielle Ziele kombiniert werden. So kann Kapital Gutes bewirken.
- Der Best-in-Class-Ansatz als nachhaltige Investmentstrategie ist nicht ausreichend, um Nachhaltigkeit zu bewirken. Der Beste in einer kritischen Branche zu sein, bedeutet nicht, dass dieses Unternehmen einen Beitrag zum positiven Wandel leistet. Wer wirklich nachhaltig investieren will, sollte entsprechend auf einen mehrstufigen Investmentprozess achten.
Im Gespräch erzählt Karsten Kührlings, wie konsequent GLS Investments Nachhaltigkeit als Kernprinzip umsetzt. Mit strengen Positiv- und Ausschlusskriterien, einem unabhängigen Anlageausschuss und aktivem Engagement in Unternehmensdialogen positioniert sich das Haus als Vorreiter für glaubwürdige, wirkungsorientierte Investments. Für Anleger:innen wird immer klarer: Nachhaltigkeit und Rendite schließen sich nicht aus, sondern können sich langfristig sogar verstärken. Entscheidend bleibt, auf Transparenz, klare Investmentprinzipien und die richtige Balance im Portfolio zu achten.