Die Europäische Kommission hat im März 2024 einen wegweisenden Entwurf zur Green Claims Directive vorgelegt, der irreführende Umweltaussagen von Unternehmen künftig scharf regulieren soll. Studien zeigen, dass derzeit über 50 Prozent aller Umweltaussagen in der EU unzureichend belegt oder sogar irreführend sind. Ein Problem, das die GCD mit wissenschaftlich fundierten Nachweispflichten lösen will, um Greenwashing zu unterbinden.
Das Wichtigste in Kürze
- Neue EU-Richtlinie gegen Greenwashing: Die Green Claims Directive verpflichtet Unternehmen ab 2027 dazu, alle Umweltaussagen wissenschaftlich zu belegen und von unabhängigen Prüfstellen verifizieren zu lassen.
- Strenge Nachweispflicht: Jeder umweltbezogene Claim muss durch Lebenszyklusanalysen und aktuelle wissenschaftliche Daten substantiiert werden – vage Begriffe wie „umweltfreundlich“ ohne Beleg sind künftig unzulässig.
- Empfindliche Strafen: Bei Verstößen drohen Bußgelder von bis zu 4 Prozent des Jahresumsatzes sowie Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen und erhebliche Reputationsschäden.
- Auswirkungen auf nachhaltige Investments: ESG-Fonds und nachhaltige Anlageprodukte müssen ihre Umweltaussagen vollständig überprüfen, was zu mehr Transparenz und einer Marktbereinigung führen wird.
Warum braucht es neue Regeln gegen Greenwashing?
Aktuelle Marktanalysen der EU-Kommission offenbaren ein alarmierendes Bild: Bei einer Untersuchung von über 150 Umweltaussagen erwiesen sich 40% als nicht nachvollziehbar. Unternehmen nutzen oft vage Begriffe wie „umweltfreundlich“ oder „nachhaltig„, ohne diese Behauptungen durch wissenschaftliche Erkenntnisse zu belegen. Verbraucher:innen stehen damit vor einem Dilemma. Sie möchten bewusste Kaufentscheidungen treffen, können aber echte Nachhaltigkeit kaum von cleveren Marketingstrategien unterscheiden.
Besonders problematisch wird es, wenn Produkte mit grünen Claims beworben werden, obwohl nur Teilaspekte umweltfreundlich sind, während der Gesamtfußabdruck negativ bleibt. Das sogenannte Greenwashing untergräbt nicht nur das Vertrauen der Konsument:innen, sondern benachteiligt auch ehrlich nachhaltig wirtschaftende Unternehmen im unlauteren Wettbewerb.

Was ist die Green Claims Directive?
Die Green Claims Directive (GCD) ist eine geplante EU-Richtlinie zur Bekämpfung irreführender Umweltaussagen, die klare Kriterien dafür festlegt, wie Unternehmen ihre Aussagen und Label beweisen müssen. Sie verpflichtet Unternehmen dazu, alle freiwilligen umweltbezogenen Aussagen über ihre Produkte und Dienstleistungen durch wissenschaftliche Erkenntnisse zu belegen und von unabhängigen, akkreditierten Prüfstellen verifizieren zu lassen.
Die Richtlinie ist derzeit noch nicht in Kraft. Die dritten Trilog-Verhandlungen sollen am 10. Juni 2025 stattfinden, mit einem erwarteten finalen Text Mitte 2025. Nach der Verabschiedung haben die EU-Mitgliedstaaten 18-24 Monate Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, sodass die vollständige Compliance voraussichtlich bis 2027 erforderlich sein wird.
Regelungen der GDC
Die Green Claims Directive führt ein mehrstufiges Regulierungssystem ein, das Unternehmen zu wissenschaftlich fundierten und verifizierten Umweltaussagen verpflichtet. Sich einfach nur aus Marketing-Zwecken als nachhaltig, CO2-neutral oder Co zu bezeichnen, wird ohne klaren Nachweis nicht mehr möglich sein.
Verifizierungspflicht
Alle expliziten Umweltaussagen müssen von unabhängigen, akkreditierten Prüfstellen verifiziert werden, bevor sie verwendet werden dürfen. Diese Verifikationsstellen dürfen keine Interessenskonflikte aufweisen und stellen nach erfolgreicher Prüfung ein Konformitätszertifikat aus, das EU-weit anerkannt wird.
📌 Eine Besonderheit: Kleinere Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeiter:innen und einem Jahresumsatz unter 2 Millionen Euro sind von dieser Pflicht ausgenommen.
Substantiierungspflicht
Unternehmen müssen alle Umweltaussagen durch wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, wobei ein Lebenszyklusansatz von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung anzuwenden ist. Die Substantiierung muss aktuelle wissenschaftliche Daten verwenden und alle relevanten Umweltauswirkungen berücksichtigen.
Während heute häufig nur einzelne Aspekte einer Lieferkette betrachtet werden, nimmt die Substantiierungspflicht die gesamte Wertschöpfungskette des Unternehmens in den Blick. So kann festgestellt werden, ob ein Unternehmen wirklich nachhaltig und CO2-neutral arbeitet.
Carbon-Offset-Claims
Die GCD regelt klimabezogene Aussagen wie „klimaneutral“ oder „CO₂-neutral“ besonders streng. Unternehmen müssen Emissionsdaten und Kompensationsmaßnahmen getrennt ausweisen und genau angeben, ob Kompensationen auf Emissionsreduktionen oder tatsächlichen CO₂-Entfernungen basieren.
Der Rat der EU hat vorgeschlagen, dass Kompensationsaussagen für fossile Emissionen nur mit permanenten Entfernungen gemäß dem EU-Zertifizierungsnetzwerk für Kohlenstoffentfernung gemacht werden dürfen.
Umwelt-Labelling
Die Richtlinie führt strenge Governance-Kriterien für Umweltlabel ein. Neue nationale oder regionale Label von öffentlichen Stellen sind grundsätzlich verboten, es sei denn, die EU-Kommission genehmigt sie als Mehrwert für den EU-Markt. Private Label müssen transparent über ihre Ziele und Überwachungsverfahren informieren und Beschwerde- sowie Streitbeilegungsmechanismen anbieten. Selbstzertifizierte Label ohne Drittpartei-Verifizierung werden komplett untersagt. Eine Regelung, die besonders viele kleinere Unternehmen betreffen wird, die bisher eigene Nachhaltigkeitssiegel verwendet haben.

Strafen: Was droht bei Missachtung?
Die Green Claims Richtlinie sieht erhebliche Sanktionen für Unternehmen vor, die gegen die neuen Regeln verstoßen. Die EU-Mitgliedstaaten müssen nationale Durchsetzungsbehörden benennen, die über weitreichende Befugnisse zur Überwachung und Durchsetzung verfügen, um umweltbezogene Aussagen von Unternehmen zu prüfen.
Bei Verstößen gegen die GCD drohen Bußgelder von bis zu 4% des jährlichen Gesamtumsatzes des Unternehmens in den betroffenen EU-Mitgliedstaaten. Sollten keine Umsatzinformationen verfügbar sein, können alternativ Strafen von bis zu 2 Millionen Euro verhängt werden. Die Mitgliedstaaten haben sogar die Befugnis, noch höhere Strafen zu verhängen, um die Abschreckungswirkung zu verstärken.
Neben Geldstrafen können Unternehmen von öffentlichen Ausschreibungen und Vergabeverfahren zeitweise ausgeschlossen werden. Ein erheblicher Schlag für Firmen, die auf Regierungsaufträge angewiesen sind.
Ein besonders brisanter Aspekt: Nicht nur Behörden können Verfahren einleiten. Verbraucher:innen, Umweltschutzorganisationen und sogar Konkurrenzunternehmen können Beschwerden bei den zuständigen Behörden einreichen. Dies öffnet die Tür für Klagen Dritter und kann zu kostspieligen Rechtsstreitigkeiten führen, die weit über die eigentlichen Bußgelder hinausgehen.
Nicht zu unterschätzen sind die mittelbaren Folgen: Verfahren wegen Greenwashing werden regelmäßig von der Presse aufgegriffen und können erhebliche Reputationsschäden verursachen. Bei umweltbewussten Verbraucher:innen kann ein Vertrauensverlust langfristig schwerwiegender sein als einmalige Geldstrafen. Die Sanktionen müssen laut Richtlinie „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein.
Die Green Claims Directive im Rahmen nachhaltiger Investments
Neben der Auswirkung auf umweltbezogene Werbung und fehlende Transparenz, werden die Green Claim Directive auch auf den Finanzmarkt Einfluss nehmen. Besonders nachhaltige Investments, die als ESG-konform gelten, werden einer Überarbeitung unterzogen werden.
Besonders relevant wird die Richtlinie für Unternehmen in nachhaltigen Portfolios. Wenn ein Fonds damit wirbt, in „klimaneutrale“ oder „umweltfreundliche“ Unternehmen zu investieren, müssen diese Firmen ihre entsprechenden Claims nach GCD-Standards substantiieren.
📌 Good-To-Know: Bereits eine einzige nicht-konforme Umweltaussage eines Portfoliounternehmens könnte die gesamte Nachhaltigkeitskommunikation des Fonds gefährden. Fondsgesellschaften werden sich dahingehend absichern, indem Unternehmen, die nicht nach den GCD handeln, aus dem Portfolio ausgeschlossen werden.
Für Anleger:innen bedeutet dies einen Paradigmenwechsel: Sie erhalten erstmals belastbare Informationen darüber, ob die beworbene Nachhaltigkeit ihrer Fonds und ETFs auf tatsächlichen umweltfreundlichen Praktiken beruht oder primär zu Marketingzwecken konstruiert wurde.
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Fazit
Die Green Claims Directive markiert das Ende der Ära ungeprüfter Greenwashing-Praktiken in der EU. Mit wissenschaftlichen Nachweispflichten und unabhängiger Verifizierung schafft die Richtlinie erstmals wirksame Instrumente gegen irreführende Umweltaussagen, die bisher über die Hälfte aller Green Claims prägten. Unternehmen müssen sich bis 2027 entscheiden: entweder echte Nachhaltigkeit entwickeln oder auf unbelegte Umweltversprechen verzichten. Eine Entwicklung, die letztendlich sowohl Verbraucher:innen als auch ehrlich nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen zugutekommt.
Häufig gestellte Fragen
Wer überwacht die Einhaltung der Green Claims Directive?
Jeder EU-Mitgliedstaat muss eine oder mehrere zuständige Behörden benennen, die die Einhaltung der GCD überwachen und durchsetzen. Diese Behörden haben weitreichende Befugnisse zur Untersuchung von Verstößen und können Sanktionen verhängen. Zusätzlich können Verbraucher:innen, Umweltorganisationen und Konkurrenzunternehmen Beschwerden bei den zuständigen Stellen einreichen.
Was ist der Unterschied zwischen der GCD und dem deutschen UWG?
Das deutsche UWG verbietet bereits heute irreführende Werbung, bietet aber keine spezifischen Kriterien für Umweltaussagen. Die GCD geht deutlich weiter und verlangt konkrete wissenschaftliche Nachweise sowie eine verpflichtende Verifizierung durch unabhängige Prüfstellen vor Verwendung der Claims. Während das UWG primär auf Beschwerden reagiert, führt die GCD ein präventives System mit Ex-ante-Prüfung ein.
Was kostet die Zertifizierung von Umweltaussagen durch Drittanbieter?
Die Kosten für die Verifizierung sind noch nicht final festgelegt, da die GCD erst in der Trilog-Phase ist. Experten rechnen mit Kosten zwischen mehreren tausend bis zehntausenden Euro pro Claim, abhängig von der Komplexität der erforderlichen Lebenszyklusanalysen. Die EU plant spezielle Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen, um die finanzielle Belastung zu reduzieren.