Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein, bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Um das zu erreichen, muss vieles umgebaut werden, insbesondere die Energieversorgung. Dabei geht es nicht nur darum, von fossilen Energieträgern auf erneuerbare umzusteigen, sondern auch Strom- und Wärmekapazitäten hinzuzubauen. Doch die Finanzierung dieser Umstellung stellt eine enorme Hürde dar, insbesondere für die Stadtwerke.
Stadtwerke sind die lokale Säule der Energiewende
Rund 1000 dieser kommunalen Versorger gibt es in Deutschland und so unterschiedlich wie die Republik, sind auch die Stadtwerke aufgestellt. Gemeinsam haben die meisten allerdings, dass sie wenig über Rücklagen verfügen, da sie – anders als privatwirtschaftliche Unternehmen – ihre Gewinne in weiten Teilen in den Querverbund (u.a. ÖPNV, kommunale Schwimmbäder etc.) überführen müssen. Was ohne Energiewende schon immer eine Herausforderung war, alle Interessen unter einen Hut zu bekommen, ist nun noch komplizierter. Denn die Energiewende sorgt dafür, dass die Kosten bei den Stadtwerken steigen werden. Laut dem Verband der Energie- und Wasserwirtschaft (bdwe) müssen allein in den Netzaus- und -umbau bis 2030 100 Milliarden Euro investiert werden.
Wenn die deutschen Stadtwerke ihren Anteil an der Energiewende beitragen wollen, dann muss sich das Investitionsvolumen, laut dem Verband kommunaler Unternehmen, um das Vier- bis Fünffache steigern. In einem gemeinsamen Papier mit der Beratungsagentur PWC und des VKU heißt es, dass durchschnittlich rund 400 Millionen Euro pro Stadtwerk in den nächsten 10 Jahre investiert werden müssen. Immer vorausgesetzt natürlich wir wollen die Energiewende weiter voranbringen – was der richtige und langfristig auch der günstigste Weg ist.
Das Problem: Die Finanzierung
Stadtwerke gelten gemeinhin als solide und weisen, durch die „kommunale Trägerschaft“ eine hohe Bonität aus. Dennoch stellt die Beschaffung des nötigen Kapitals eine der größten Herausforderungen dar. Über Eigenfinanzierung und traditionelle Kredite ist das in weiten Teilen nicht zu erreichen – dies erlauben weder die Bilanzen der Energieunternehmen, noch die Bankenregulierung.
Insbesondere bei den kommunalen Versorgern aus strukturschwachen Regionen reichen die finanziellen Ressourcen der Städte und Gemeinden oft nicht aus, um die Stadtwerke weiterhin im nötigen Maße zu tragen. So können sie allein das Eigenkapital der Versorger nicht in dem Umfang stärken, welcher nötig ist, um die Energiewende umsetzen zu können. Das liegt an den hohen Investitionsvolumina, die nötig sind. Oftmals handelt es sich dabei um kleinere und mittlere Stadtwerke mit keinem oder nur sehr eingeschränktem Kapitalmarktzugang. Das heißt konkret, dass ihnen Möglichkeiten fehlen sich weitere Kapitalquellen – vom Eigen- bis Fremdkapital – zu erschließen.
Dieses Problem haben die zumeist großen Stadtwerke aus den prosperierenden Regionen nicht in dem Maße. Hier können die Kommunen einfacher Geld als Eigenkapital beisteuern. Allerdings stoßen auch die gesunden Regionen, häufig wirtschaftlich starke Großstädte, zunehmend an ihre Grenzen. So hat die Stadt Stuttgart 2022 die eigenen Stadtwerke mit einmalig 100 Millionen Euro Eigenkapital gestärkt. Insgesamt rechnen die Stadtwerke Stuttgart für die Bereiche Energie, Wärme und Verkehrswende mit einem Bedarf von 3 Milliarden Euro bis 2025.
Das Problem der Stadtwerke fasst Deloitte in einem Strategiepapier, das gemeinsam mit dem bdwe und dem VKU erarbeitet wurde, folgendermaßen zusammen: „Die Beschaffung von Kapital stellt eine der größten Herausforderungen für Stadtwerke dar. In den letzten Jahren haben steigende Kosten, strengere regulatorische Anforderungen und wirtschaftliche Unsicherheiten dazu geführt, dass viele Stadtwerke finanziell unter Druck geraten sind. Besonders kleinere und mittlere Stadtwerke haben oft nicht die finanziellen Mittel oder die Kreditwürdigkeit, um große Investitionsvorhaben alleine zu schultern.“
Woher kann das Geld kommen?
Erschwerend kommt der Wegfall von 60 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds hinzu. Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Verbands der Energie- und Wasserwirtschaft (bdwe) hat der Tagesschau gesagt, dass es nun mehr denn je gilt „privates Kapital für die Energiewendeprojekte zu gewinnen“.
Es zeigt sich, dass privates Kapital eine Schlüsselrolle bei der Finanzierung der Energiewende spielen muss. Hier gibt es verschiedene Dimensionen, so kann privates Kapital von Institutionellen Investoren, wie zum Beispiel großen Fondsgesellschaften, Konzernen und Versicherern kommen, aber auch von Privatpersonen. Deloitte ist mit der Idee eines Energiewendefonds, der sich an die institutionellen Investoren richtet, gestartet.
Eine andere Option ist es, dass sich die Bürger:innen in Deutschland aktiv an der Energiewende beteiligen und dafür eine Art „Klimadividende“ erhalten. Diese Option will das Leipziger Startup valueverde eröffnen. Für die Investor:innen bietet das die Möglichkeit von der Energiewende privat und direkt zu profitieren, indem sie Zinsen für ihr Kapital erhalten. Diese Art des Crowdfunding-Ansatzes kann dazu beitragen, das Kapital breiter zu streuen und gleichzeitig die Bevölkerung stärker in die Energiewende einzubinden. Durch den persönlichen finanziellen Gewinn wird ebenso die Akzeptanz in die Transformation gefördert.
Für das Gelingen der Energiewende wird es sowohl große geschlossener Fondslösungen brauchen, ebenso wie offenere und partizipativere Formen für die Bürger:innen. Denn die Herausforderung ist enorm – die deutsche Energiewirtschaft (Stadtwerke, Energiegenossenschaften und private Anbieter) rechnen mit einem Investitionsbedarf von 721 Milliarden Euro bis 2030 und 1,2 Billionen Euro für die nächsten 10 Jahre.
Klar ist, dass etwas getan werden muss und Gelder von privaten Investor:innen in die kommunale Klimawende fließen müssen. An Investitionszuschüssen führt kein Weg vorbei und dieser kann von den zum Teil klammen Kommunen nicht alleine geleistet werden. Die Alternative dazu erklärt Thomas Pietsch, Sprecher der Geschäftsführung der Städtischen Werke Magdeburg, dem MDR, wären deutlich steigende Preise für Strom und Wärme. Für die Energiewende und die gesellschaftliche Akzeptanz wäre das allerdings ein Bärendienst.
Beispiele aus anderen Ländern
Ein Blick ins Ausland zeigt, dass die Einbindung von privatem Kapital bereits erfolgreich funktionieren kann. In den USA beispielsweise werden große Infrastrukturprojekte im Energiebereich häufig über private Investoren finanziert. Auch Großbritannien hat in den letzten Jahren große Fortschritte bei der Mobilisierung privaten Kapitals gemacht, indem es spezielle Programme auflegte, die langfristige Investitionssicherheit bieten.
Eines dieser Programme des Vereinigten Königreichs ist das Contract for Difference (CfD) – dass Anreize für Investitionen in erneuerbare Energie schafft und Produzenten von erneuerbarer Energie einen festen Abnahmepreis garantiert, wobei die Regierung die Differenz ausgleicht, sollte der Marktpreis niedriger sein. Dies schafft für private Investitionen eine verlässlichere Rendite. Während große Institutionen davon direkter profitieren, profitiert der durchschnittliche Brite davon bisher nur indirekt, da durch die höhere Rentabilität von nachhaltigen Energieprojekten steigt und sich somit insgesamt die Verfügbarkeit grünen Stroms auf dem Markt erhöht.
Die Zeit zu handeln ist jetzt!
Die Finanzierung der Energiewende ist eine der drängendsten Herausforderungen, denen sich Deutschland heute stellen muss. Stadtwerke sind zentrale Akteure in diesem Prozess, aber sie können die notwendigen Investitionen nicht allein bewältigen. Die klassischen Finanzierungsinstrumente funktionieren nicht für die hohen Summen, die nötig sind, um die Energiewende zum Gelingen zu bringen. Der Kapitalbedarf ist enorm, und ohne private Investitionen wird es kaum möglich sein, die sich selbst gesteckten Ziele zu erreichen.
Es ist daher entscheidend, dass neue Wege gefunden werden, um privates Kapital zu mobilisieren. Hier gibt es mehrere Ansätze, die am Ende nebeneinander stehen müssen. Nur so können Stadtwerke die notwendigen Mittel erhalten, um ihre zentrale Rolle in der Energiewende auszufüllen und die Zukunft der Energieversorgung nachhaltig zu gestalten.
Nathanael Meyer ist CEO und Mitgründer von valueverde, einem FinTech, das private Investor:innen mit Stadtwerken und Energiegenossenschaften vernetzt. Sein Ziel ist es, die Akzeptanz der Energiewende zu stärken und durch direkte Beteiligung allen die Möglichkeit zu geben, von ihr zu profitieren.