Nachhaltigkeit glaubwürdig umsetzen

Ein Gespräch mit Dr. Liza Kirchberg

01. 07. 2025

Dr. Liza Kirchberg

  • Sustineri.Club
  • Business Strategy &
  • Development Consultant

Seit 2016 widmet sich Dr. Liza Kirchberg der nachhaltigen Transformation von Unternehmen – mit einem klaren Fokus auf strategischer Wirkung und ESG-Exzellenz. Über drei Jahre leitete sie die nachhaltige Transformation bei einer der größten Volksbanken Deutschlands und setzte dort maßgebliche Impulse. Für ihre Arbeit wurde sie 2023 als „Spitzenfrau Baden-Württemberg“ und Rollenvorbild für Nachhaltigkeit ausgezeichnet. In ihrer Dissertation untersuchte sie die ESG-Transformation im deutschen Finanzsektor und analysierte zentrale Barrieren aus Sicht der Nachhaltigkeitsverantwortlichen. Seit 2024 begleitet sie Organisationen als selbstständige Beraterin – mit tiefem Branchenverständnis, fundierter Forschung und praxisnahen Lösungen für zukunftsfähige Geschäftsmodelle, regulatorische Anforderungen und nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit.

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Dr. Liza Kirchberg promovierte zu den Aufgaben und Herausforderungen von Sustainability Managern in der deutschen Finanzindustrie. Als selbstständige Beraterin befähigt sie Unternehmen, ihre Nachhaltigkeitsstrategien wirkungsvoll zu implementieren und innovative Potenziale zu entfalten.

Im Gespräch sprechen wir darüber, wie Nachhaltigkeit im Alltag von Firmen verankert wird, welche Rolle Führungskräfte spielen und warum genau das auch für Konsument:innen, Investor:innen und Jobsuchende entscheidend ist.

EEAktuell: Frau Dr. Kirchberg, Ihre Doktorarbeit untersucht die Perspektiven und Hürden von Sustainability Managern in der Finanzbranche. Was war Ihr zentraler Befund, der auch für Investor:innen und Konsument:innen interessant ist?

Dr. Liza Kirchberg: Meine Forschungsarbeit basierte auf über drei Jahren intensiver qualitativer Forschung, darunter Interviews, Delphi-Studien und inhaltliche Auswertungen. Besonders deutlich wurde dabei: Der Erfolg nachhaltiger Transformation hängt maßgeblich von der Unternehmenskultur und dem Engagement der Mitarbeitenden ab. Es sind nicht allein Strategien und Tools, die den Wandel vorantreiben – sondern die gelebten Werte und der kulturelle Nährboden, in dem diese Strategien wirken können.

EEAktuell: Sie beraten Unternehmen bei der Entwicklung und praktischen Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategien. Woran erkennt man als Außenstehende:r, ob eine Firma es ernst meint oder eher auf Greenwashing setzt?

Dr. Liza Kirchberg: Ich bin kein großer Fan des Begriffs Greenwashing, weil er häufig mehr Angst als Antrieb erzeugt. Viele Unternehmen kommunizieren ihre Nachhaltigkeitsbemühungen aus Sorge vor Kritik gar nicht – und das ist schade. Wir brauchen eine Kultur des Ermöglichens, nicht des Abwertens. Ich ermutige meine Kund:innen dazu, auch kleine Schritte transparent zu zeigen. Entscheidend ist das Wie: Eine glaubwürdige Nachhaltigkeitskommunikation zeichnet sich durch Offenheit, Klarheit und eine konsistente Sprache aus – und genau daran arbeite ich mit meinen Kunden.

EEAktuell: Viele Unternehmen veröffentlichen Nachhaltigkeitsberichte – oft orientiert an GRI oder CSRD. Welche Aussagen oder Kennzahlen darin sind wirklich aussagekräftig für Menschen, die bewusst konsumieren oder investieren wollen?

Dr. Liza Kirchberg: Wirklich aussagekräftig sind Berichte dann, wenn sie über bloße Pflichtinformationen hinausgehen und die tatsächliche Wirkung (Impact) greifbar machen. Besonders wichtig sind zum Beispiel:

  • KPI-basierte Zielsysteme, die sich an wissenschaftsbasierten Kriterien orientieren (z. B. Science-Based Targets),
  • Fortschrittsmessungen im Zeitverlauf,
  • Verknüpfung von Nachhaltigkeit mit der Unternehmensstrategie und
    klare Aussagen zu Governance,
  • Risiken und Chancen im Nachhaltigkeitskontext.

Investor:innen und Konsument:innen sollten zudem darauf achten, wie konkret Maßnahmen beschrieben werden – und ob auch Zielverfehlungen ehrlich benannt werden. Das ist ein Zeichen von Reife und echter Transformation.

EEAktuell: In größeren Organisationen scheitert Transformation oft an Strukturen, nicht am Willen. Was bedeutet das für die Wirkung eines Unternehmens nach außen und wie wichtig ist die Unternehmenskultur für glaubwürdige Nachhaltigkeit?

Dr. Liza Kirchberg: Ich würde sagen: Wo ein echter Wille ist, findet sich auch ein Weg. Strukturen können hilfreich sein, wenn sie klar und unterstützend wirken – aber zu viel Agilität ohne Richtung kann ebenso ein Hindernis sein. Letztlich ist die Unternehmenskultur der entscheidende Hebel. Sie prägt, ob Strategien gelebt oder nur beschlossen werden. Deshalb arbeite ich mit Unternehmen nicht nur an Strategien, sondern auch an gezielter interner Schulung, bereichsspezifischer Kommunikation und an einem gemeinsamen Narrativ. Nur wenn alle Mitarbeitenden verstehen, warum und wie sie zur Transformation beitragen können – und diese Haltung auch nach außen transportiert wird – kann Wandel gelingen.

EEAktuell: Wie können Unternehmen sicherstellen, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein eigenes Ressort bleibt, sondern tatsächlich in alltägliche Entscheidungen einfließt, etwa im Einkauf, der Produktentwicklung oder der Personalführung?

Dr. Liza Kirchberg: Durch konsequente Integration in bestehende Prozesse. Es braucht nicht immer neue Tools oder komplexe Systeme – manchmal genügt ein Perspektivwechsel: Wie lässt sich Nachhaltigkeit in bereits genutzte Instrumente wie Zielvereinbarungen, Entscheidungsprozesse oder KPI-Systeme einbauen? Ich arbeite oft direkt mit den Führungskräften, um genau diese Schnittstellen zu identifizieren. Denn Führung ist der Schlüssel: Ohne Führungskräfte, die den Wandel vorleben und Verantwortung übernehmen, bleibt Nachhaltigkeit oft Theorie.

EEAktuell: Viele Menschen möchten im Bereich Nachhaltigkeit arbeiten oder sich beruflich neu orientieren. Welche Rollen, etwa als ESG Analyst:in, Change Manager:in oder Kommunikationsprofi, bieten aus Ihrer Sicht langfristig Wirkung und Entwicklungsperspektive?

Dr. Liza Kirchberg: Wir erleben gerade, dass Nachhaltigkeit vom Spezialthema zum Querschnittsthema wird. Das bedeutet: Jede Rolle in einem Unternehmen – ob im Einkauf, HR, Controlling oder Marketing – wird künftig auch Nachhaltigkeitskompetenz benötigen. Langfristig braucht es sowohl Generalist:innen, die das große Ganze im Blick haben, als auch Spezialist:innen in Bereichen wie ESG Reporting, Sustainable Finance, Lieferkettenanalyse oder Transformationskommunikation. Und ich glaube fest daran: Nachhaltigkeit darf nicht isoliert betrachtet werden – sie gehört ins Zentrum von Strategie und Organisationsentwicklung.

EEAktuell: Zum Abschluss: Welchen Tipp geben Sie Unternehmen, die wirklich glaubwürdig nachhaltig handeln wollen und Kund:innen oder Investor:innen zeigen möchten, dass ihre ESG-Versprechen auch im Unternehmensalltag gelebt werden?

Dr. Liza Kirchberg: Glaubwürdigkeit entsteht durch Konsistenz: Produkte, Prozesse und Kommunikation müssen dieselbe Sprache sprechen. Wenn ein Unternehmen Nachhaltigkeit verspricht, sollten alle Entscheidungen – vom Produktdesign bis zur Personalstrategie – diesen Anspruch widerspiegeln. Und: Zeigen Sie Haltung. Nicht nur dort, wo es einfach ist, sondern auch dort, wo es herausfordert.

Fazit

Nachhaltigkeit im Unternehmen beginnt nicht bei der CSR-Abteilung, sondern bei der Unternehmenskultur. Dr. Liza Kirchberg erläutert in diesem Gespräch, wie wichtig gelebte Werte, klare interne Kommunikation und der Mut zur Offenheit sind – auch wenn nicht alles perfekt läuft. Sie macht deutlich, dass Transformation nicht durch neue Tools gelingt, sondern durch konsequente Integration in bestehende Strukturen.

Glaubwürdigkeit entsteht dann, wenn Nachhaltigkeit nicht nur dokumentiert, sondern verstanden und umgesetzt wird – über alle Unternehmensbereiche hinweg. Für Investor:innen, Konsument:innen und Talente, die nachhaltige Organisationen suchen, zählt letztlich eines: Wie konsistent sind Anspruch und Alltag?