Mit voller Energie in die Zukunft

Matthias Willenbacher über erneuerbare Energien, Crowdinvesting, Herausforderungen und Chancen der Energiewende

14. 11. 2024

Matthias Willenbacher

  • Energiewende-Pionier
  • Gründer WIWIN
  • Gründer juwi AG

Matthias Willenbacher ist ein echter Energiewende-Pionier und Unternehmer aus Leidenschaft. Er errichtete in 1996 sein erstes Windrad und baute in den folgenden zwei Jahrzehnten als Gründer der juwi AG einen der erfolgreichsten Projektentwickler Erneuerbarer Energien-Anlagen in Deutschland auf. 2016 gründete er WIWIN und war hier als langjähriger Geschäftsführer tätig. Seit 2023 ist er aus seiner Geschäftsführer-Tätigkeit ausgeschieden und widmet sich zahlreichen anderen Projekten.

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Matthias Willenbacher, Gründer von juwi und WIWIN, ist seit über 25 Jahren ein Vordenker im Bereich erneuerbarer Energien und nachhaltigen Investitionen. In diesem Interview teilt er seine Einblicke in die Welt des Crowdinvestings, spricht über die Herausforderungen und Risiken, mit denen sich die Branche konfrontiert sieht, und gibt eine klare Vision für die Zukunft. Leser:innen erfahren nicht nur, warum Crowdinvesting eine Schlüsselrolle bei der Energiewende spielt, sondern auch, wie jede:r durch sinnvolle Investitionen zum Erfolg nachhaltiger Projekte beitragen kann.

EEAktuell: Herr Willenbacher, Sie haben 1996 juwi gegründet, lange bevor das Thema erneuerbare Energien so präsent war wie heute. Was hat Sie damals dazu inspiriert, in diesen Bereich einzusteigen?

Matthias Willenbacher: Erneuerbare Energien haben mich von Anfang an fasziniert. Mit Windrädern den ländlichen Raum vom passiven Kunden von Konzernen zum Akteur des Wandels zu machen – das hat mich getrieben. Saubere Kraftwerke in der Hand der Bürger:innen und Regionen zu bauen, damit haben wir angefangen – der Erfolg hat uns Recht gegeben.

EEAktuell: In Ihrem Buch „Mein unmoralisches Angebot an die Kanzlerin“ haben Sie einen ungewöhnlichen Vorschlag gemacht. Sie wollten Ihre Unternehmensanteile verschenken, wenn Deutschland auf 100% erneuerbare Energien umsteigt. Wie hat diese Idee das öffentliche Bewusstsein beeinflusst?

Matthias Willenbacher: Wir haben dazu beigetragen, eine eigentlich selbstverständliche Idee zu normalisieren. Das Buch kam 2013 auf den Markt. Zu dieser Zeit war die Message, dass wir sofort auf 100 Prozent Erneuerbare setzen müssen, nicht weithin akzeptiert – um es mal vorsichtig zu formulieren. Deshalb brauchte es die kalkulierte Provokation. Heute sind wir natürlich ein Stück weiter, aber wenn ich mir die Debatten zur E-Mobilität und zu den Wärmepumpen anschaue: es gibt echt noch Einiges zu tun.

EEAktuell: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Hindernisse auf dem Weg zu einer 100% erneuerbaren Energiezukunft?

Matthias Willenbacher: Im Stromsektor sind wir wirklich weit – auch wenn wir da im Moment mit der sogenannten Kraftwerksstrategie wieder einen Schritt zurückgehen. Es kann einfach nicht sein, dass wir jetzt Gaskraftwerke mit Steuergeldern bauen. Wirklich schwierig hingegen ist es bei den Themen E-Mobilität und erneuerbarer Wärme. Da laufen derzeit wirklich heftige Kampagnen gegen das E-Auto und die Wärmepumpe. Ich erhoffe mir, dass wir da in zehn Jahren auch erleichtert den Kopf darüber schütteln und sagen: irre, wie sehr sich die Gesellschaft gegen diese total sinnvollen und komfortablen Technologien gesträubt hat. Doch im Moment sind wir wirklich mitten im Sturm, da müssen wir für den Wandel kämpfen.

EEAktuell: Wie sieht Ihre Vision für die nächsten zehn Jahre in Bezug auf Energie und Technologie aus? Was glauben Sie, welche Innovationen die größte Wirkung haben werden?

Matthias Willenbacher: Wir werden immer stärker in die Lage versetzt, unsere eigene Energie herzustellen und mit anderen zu teilen. Aufdach-PV wird immer günstiger, die Windturbinen leistungsfähiger, und die intelligenten Stromzähler zusammen mit den Software-Lösungen machen auch komplexe Energie-Portfolios möglich. Mit E-Auto und Wärmepumpen können wir auch unsere Verbräuche flexibler gestalten. Wir werden von unmündigen Endverbraucher:innen zu Prosumer:innen.

EEAktuell: Welche Rolle spielt der einzelne Bürger oder die einzelne Bürgerin in der Energiewende? Was kann jeder von uns Ihrer Meinung nach tun, um Teil der Lösung zu sein?

Matthias Willenbacher: Es geht darum, die neuen Möglichkeiten aktiv zu nutzen und von der Politik zu fordern, dass es noch einfacher wird. Bereits heute kann ich mich an meinem lokalen Windpark beteiligen und den Strom direkt beziehen, aber die Hürden dafür sind einfach zu hoch. Strom teilen mit den Nachbar:innen geht theoretisch auch schon, aber die Netzbetreiber haben dafür noch keine Prozesse entwickelt. Wir können nicht nur Teil der Lösung werden, sondern auch am wirtschaftlichen Erfolg von EE-Projekten teilhaben. Je mehr Projekte, desto mehr Möglichkeiten, diese auch gemeinsam zu finanzieren.

EEAktuell: WIWIN bietet Crowdinvestments für nachhaltige Projekte an. Warum sind solche Plattformen Ihrer Meinung nach so wichtig für die Finanzierung der Energiewende?

Matthias Willenbacher: Wir bei WIWIN betrachten Geld als den größten Hebel für die Nachhaltigkeitswende. Denn klar ist, für die notwendigen Investitionen wird entsprechend Kapital benötigt. Die Menschen aktiv daran zu beteiligen und ihnen attraktive Rendite zu bieten, ist natürlich ein echtes Überzeugungsargument, in die Energiewende zu investieren. Was zudem noch ein Vorteil an unserer Crowdinvesting-Plattform ist, ist die Transparenz und direkte Nachvollziehbarkeit, in welches konkrete Projekt das investierte Geld fließt.

EEAktuell: Welche Herausforderungen sehen Sie derzeit speziell im Crowdinvesting für nachhaltige Projekte?

Matthias Willenbacher: Crowdinvesting ist nach wie vor ein Nischenprodukt, wird aber mehr und mehr „salonfähig“, was wir auch am starken Wachstum unserer eigenen Crowd sehen. Eine der größten Herausforderungen ist es, dass der Begriff „nachhaltig“ weiterhin nicht geschützt ist. Sprich, die Diskussion darüber kommt immer mal wieder auf. Zum Glück haben wir da beim Crowdinvesting über WIWIN gute Antworten, denn wie schon weiter oben erwähnt, wissen unsere Anleger:innen genau, in welche Projekte ihr Geld fließt. Und mit diesem Wissen können sie vor ihrer Investitionsentscheidung selbst abwägen, ob das Projekt zu ihrem Verständnis von Nachhaltigkeit passt. Ein weiterer Punkt: Crowdinvesting ist ein risikobehaftetes Investment, darüber klären wir vollumfänglich auf. Es gibt natürlich Unterschiede, ob ich bspw. in ein Projekt investiere, das sich gerade erst in Planung befindet oder eines, das bereits Cashflows generiert, wie ein Repowering eines Windparks, bei dem die Windräder nach und nach erneuert werden. Zudem gibt es verschiedene Sicherheiten, um die Risiken der Finanzprodukte zu reduzieren.

EEAktuell: Wie gewährleisten Sie bei WIWIN, dass Crowdinvestments nicht nur profitabel, sondern auch wirklich nachhaltig sind?

Matthias Willenbacher: Mit dem Impact Scoring haben wir als erste und einzige Crowdinvesting-Plattform in Deutschland ein Bewertungsmodell entwickelt, das den Impact auf Umwelt und Gesellschaft, und damit den Grad der Nachhaltigkeit, betrachtet und mit einem Punktesystem bewertet. Die Methodik stützt sich auf wissenschaftliche Standards und Maßstäbe, die Einbeziehung von Expert:innen u. a. aus den Bereichen Energieeffizienz oder Ökobilanz sowie unsere eigenen Nachforschungen. Mit diesem Bewertungstool können unsere Anleger:innen und auch wir selbst sicher sein, dass es sich bei WIWIN-Produkten stets um wirklich nachhaltige Finanzprodukte handelt.

EEAktuell: Wie könnte sich Ihrer Meinung nach der Crowdinvesting-Markt in den nächsten Jahren entwickeln? Welche Trends sehen Sie?

Matthias Willenbacher: Wir stellen fest, dass es insbesondere für Startups immer schwieriger wird, an Banken- oder VC-Kapital zu kommen und sie daher nach anderen Finanzierungsquellen, darunter auch immer häufiger Crowdinvesting, Ausschau halten. Die Entwicklung bei WIWIN unterstreicht das. Auf unserer Plattform lag der Projektanteil in der Kategorie Startup-Finanzierung in 2023 (Q1-Q3) noch bei 15 Prozent, in diesem Jahr liegen wir da im selben Zeitraum bereits bei 40 Prozent, und das Jahr ist noch nicht zu Ende.

Wir haben auch herausgefunden, dass Nachhaltigkeit und Transparenz Treiber sind, um weibliche Investorinnen zu erreichen. Auch hier erwarten wir einen Anstieg der Nachfrage.

EEAktuell: Gibt es Technologien oder Innovationsbereiche, in die Sie besonders gerne über Crowdinvesting investieren würden?

Matthias Willenbacher: Ganz klar weiterhin erneuerbare Energien und Speicherlösungen!

EEAktuell: Was würden Sie Menschen raten, die überlegen, in nachhaltige Projekte zu investieren? Gibt es einfache Schritte, wie jede:r im Alltag oder bei Investitionen zur Energiewende beitragen kann?

Matthias Willenbacher: Mein Ansatz wäre: einfach ausprobieren. Geld ist aus unserer Sicht der größte Hebel für die Nachhaltigkeitswende, da setzen wir als WIWIN an. Jede:r einzelne kann einen aktiven Teil leisten und dabei sogar noch das eigene Geld vermehren. Diese Kombination ist schon sehr überzeugend und führt dazu, dass sich seit Jahren immer mehr Privatanlegende unserer Crowd anschließen. Eben weil jede:r bereits ab 250 Euro teilhaben kann und nicht ausschließlich institutionelle Investor:innen, wie es häufig bei anderen Finanzprodukten der Fall ist.

Als Tipp würde ich Interessierten mitgeben: Setzen Sie sich mit dem Finanzprodukt und dem dahinterstehenden Projekt aktiv auseinander und schauen Sie, dass es Ihrer Vorstellung von Nachhaltigkeit entspricht, Sie sich darin wiederfinden und die Rendite stimmt. Es gibt doch nichts Besseres, in etwas zu investieren, von dem ich überzeugt bin und damit auch noch mein Geld vermehren kann.

Matthias Willenbacher zeigt eindrucksvoll, wie entscheidend die Kombination aus persönlichem Engagement und innovativen Finanzierungsmodellen wie Crowdinvesting für die Energiewende ist. Durch seine Einblicke erfahren wir, welche Herausforderungen und Chancen in der nachhaltigen Investmentwelt liegen und wie wichtig es ist, jeden einzelnen in den Prozess einzubeziehen. Er betont, dass Investitionen nicht nur finanziell, sondern auch inhaltlich überzeugen müssen, und fordert dazu auf, sich aktiv mit der Nachhaltigkeit der Projekte auseinanderzusetzen. Herr Willenbacher appelliert, dass wir durch bewusste Entscheidungen und gezielte Investments nicht nur Teil der Energiewende werden, sondern auch langfristig daran mitverdienen können. Sein pragmatischer Rat, den ersten Schritt zu wagen und bewusst in nachhaltige Projekte zu investieren, zeigt eine greifbare Möglichkeit, wie jede:r zum Erfolg der Energiewende beitragen kann.