Frank Huttel ist nicht nur der Co-Founder von vividam, sondern auch ein leidenschaftlicher Verfechter der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (UN Sustainable Development Goals, SDGs, Agenda 2030). Mit vividam verfolgt er das Ziel, Anleger:innen eine Möglichkeit zu bieten, bewusst und wirkungsvoll in Projekte und Unternehmen über Investmentfonds zu investieren, die konkret zu den globalen Nachhaltigkeitszielen beitragen. Im Interview erzählt er, wie er zu dieser Vision kam, wie vividam die SDGs in seine Investmentstrategie integriert und wie auch Anleger:innen zu den globalen Zielen beitragen können.
EEAktuell: Herr Huttel, wie sind Sie persönlich auf das Thema nachhaltige Geldanlage gestoßen, und was hat Sie motiviert, den Fokus auf die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu legen?
Frank Huttel: Da muss ich etwas ausholen. Wir haben von 2009 bis April diesen Jahres einen Aktienfonds mit Fokus auf chinesische Solar- und Windaktien gemanaged. Später haben wir den Fokus etwas verbreitert und um das Thema „E-Mobilität“ ergänzt. Jedoch „spielen wir über Bande“ und investieren in Batteriehersteller und Lithiumminen, nicht aber in die Autohersteller. Die ersten nachhaltigen Vermögensverwaltungsstrategien haben wir bereits 2015 lanciert – im Jahr, als die 17 UN SDGs verabschiedet wurden. Irgendwann „liefen“ mir dann diese Ziele über den Weg und bald gab es auch den ersten Aktienfonds, der in die Ziele investierte. Vertieft habe ich mein Wissen noch während meiner Fortbildung 2018 an der ebs European Business School. Die Referentin war persönlich an der Formulierung und Ausarbeitung der Ziele beteiligt. Seitdem bin ich ein großer Verfechter der 17 Ziele, wohl wissend, dass diese nicht perfekt sind und auch ihre Schwachstellen haben. Gleichzeitig bin ich seit 2018 ein „Climate Reality Leader“. Climate Reality ist die NGO des ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore. Die dreitägige Ausbildung in Berlin hat mich stark und nachhaltig geprägt.
EEAktuell: Die Integration der Nachhaltigkeitsziele in eine Anlagestrategie klingt nach einer großen Herausforderung. Wie geht vividam konkret vor, um sicherzustellen, dass die Investments auch tatsächlich zur Erreichung dieser Ziele beitragen? Könnten Sie uns ein Beispiel geben, wie ein spezifisches Projekt oder Unternehmen, in das vividam investiert, messbare Fortschritte in Richtung eines oder mehrerer Nachhaltigkeitsziele erzielt?
Frank Huttel: Glücklicherweise kann man recht gut z.B. mit „Themenfonds“ in mind. zehn der 17 Ziele mit ihren 169 Unterzielen investieren. Nehmen wir z.B. das Thema Wasser – SDG 6 (Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen). Es gibt eine ausreichend große Anzahl von Aktien und Anleihen, um z.B. in Wasseraufbereitung, Reinigung, Analyse, Sanitär, Bewässerung, Wasserversorgung usw. zu investieren. Dies lässt sich inzwischen auch messen und ausweisen. Hier gibt es einige Dienstleister, die tolle Tools anbieten. So z.B. das upright project aus Finnland. Hier ist z.B. ein Link zur Bewertung der Aktie von Xylem*. Wie man sieht, trägt das Unternehmen zu SDG 6, aber noch mehr zu SDG 9 bei. Für private Anleger:innen ist das Tool kostenfrei und man kann viele Funktionen nutzen und damit „herumspielen“. Worauf man auch achten sollte, dass kein anderes Ziel negativ beeinflusst wird. Das ist nicht immer einfach.
Die große Diskussion, die seit einiger Zeit in der akademischen Welt geführt wird, dreht sich darum, wer denn den Impact, also die Wirkung, hat – der/die Anleger:in oder das Unternehmen. Hier verweise ich auf zwei Studien „Investor Impact – How Can Investors Change the World?“ und „The Investor’s Guide to Impact“ von Florian Heeb und Julian Kölbel von der University of Zurich in der Schweiz. Hier kann man beide Dokumente herunterladen.
Man sollte aber bedenken, dass wir uns im Sekundärmarkt bewegen, also an der Börse und nicht in Direktinvestments, also Projekte, investieren. Denn dort kann ein direkter Impact erzielt werden. Allerdings kann man auch einen indirekten Impact quasi um die Ecke herum erzielen – so wie es die SOS Kinderdörfer mit Ihrem gemeinsam mit GLS Investments aufgelegten Kinder Zukunftsfonds. Hier wird ein Teil der Vergütung in die Projekte der Kinderdörfer investiert und zahlt z.B. in SDG 4 (hochwertige Bildung) ein.
Dabei möchte ich es nun belassen, da wir uns sonst in den Tiefen des Impact Investments verlieren.
*keine Anlageempfehlung, dient lediglich der Darstellung.
EEAktuell: Wie reagieren Ihre Kund:innen auf die Orientierung an den SDGs? Gibt es bestimmte Nachhaltigkeitsziele, die den Anleger:innen besonders am Herzen liegen?
Frank Huttel: Das ist nicht so einfach zu beantworten. Viele unserer Kund:innen kommen über unsere Netzwerkpartner. Es sind Berater und Beraterinnen, die die Kund:innen betreuen. Man kann aber sagen, dass viele Kund:innen etwas Gutes tun wollen und mit ihrem Geld eine Wirkung erzielen wollen. Ob alle die 17 UN SDGs kennen, bezweifle ich. Da müsste noch viel mehr im Bereich (Finanz-)Bildung geschehen, um das zu verbessern. Ich finde die Frage aber spannend und werde einmal eine Umfrage unter den Kund:innen durchführen. Auf das Ergebnis bin ich gespannt.
EEAktuell: Einige Menschen fragen sich vielleicht, ob ihre Investitionen wirklich einen Unterschied machen können. Was würden Sie diesen Skeptiker:innen sagen, und wie kann eine nachhaltige Anlage konkret dazu beitragen, die SDGs zu erreichen?
Frank Huttel: Wenn viele kleine Investor:innen ihre Gelder umleiten – raus aus parasitären Geschäftsfeldern wie fossile Energie und rein in die „Guten“ investieren – dann kann es einen Unterschied machen. Dafür müssen aber auch die Fondsmanager:innen ihre Aktionärsrechte auf den Hauptversammlungen nutzen und die Vorstände zum Handeln „treiben“. Man nennt dies in Fachkreisen auch „Voice and Vote“. Auch ist „Engagement“ sehr wichtig, um Firmen zu transformieren. Das können nur aktive Fondsmanager:innen, ETFs jedoch nicht. Sie können keinen Druck ausüben und final die Aktie verkaufen (Divestment). Dies machen inzwischen einige große Investor:innen.
EEAktuell: Inwiefern erwarten Sie, dass nachhaltige Geldanlagen und die Orientierung an den SDGs in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen? Gibt es aus Ihrer Sicht bestimmte Trends, die diesen Bereich prägen könnten?
Frank Huttel: Grundsätzlich glaube ich, dass wir uns in den nächsten Jahren von ESG zu SDG weiterentwickeln werden. Wir müssen uns fragen, welche Produkte und Dienstleistungen wir künftig benötigen, um innerhalb der planetaren Grenzen zu bleiben. Danach kommt erst dann das „wie“, also wie das Produkt oder die Dienstleistung entsteht. Und beim „was“ geben uns die SDGs eine gute Orientierung. Nicht umsonst nennt man sie auch die „Hausaufgaben der Menschheit“.
Allerdings haben wir aktuell ein kleines Problem mit dem kommenden US-Präsidenten Donald Trump. Er wird versuchen, vieles zurückzutreten oder aufzuhalten. Verlorene vier Jahre, die wir uns nicht leisten können. Corona und der Krieg in der Ukraine haben die Zielerreichung bis 2030 schon genug zurückgeworfen. Das zeigt der Global Stocktake zur Halbzeit der „Agenda 2030“ – wie die SDGs auch genannt werden – im Jahr 2023.
Ein Trend waren lange die Erneuerbaren Energien wie Solar und Wind (SDG 7 – bezahlbare und saubere Energie). Nur mit diesen können wir die Energiewende schaffen und aus fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl und Gas aussteigen und die Klimakrise abwenden (Pariser Klimaziel von 2015). Seit einiger Zeit wird die Biodiversitätskrise (SDG 14 und 15) aber zunehmend wichtiger und rückt in den Fokus. Und beide hängen eng zusammen und verstärken sich. „Klima bestimmt, wie wir leben, Biodiversität, ob wir leben“.
EEAktuell: Zum Abschluss: Welchen Tipp würden Sie unseren Leser:innen geben, die gern in Projekte investieren möchten, die einen positiven Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen leisten?
Frank Huttel: Es gibt vielfältige Möglichkeiten. Es fängt beim Girokonto an. Was finanziert die Bank mit meinen Einlagen? Der eine oder andere hat inzwischen zu einer „grünen Bank“ gewechselt. Dann gibt es die liquiden Anlageformen wie Fonds, aber auch Einzelaktien oder Anleihen. In diesem Bereich sind wir tätig und ist ein großer Teil des Finanzmarktes. Kund:innen, die eine direkte Wirkung erzielen wollen, müssen dann in den illiquiden Bereich gehen. Sei es ein Anteil an einem Wind- oder Solarpark, Venture- oder Private-Equity Fonds, die in grüne Start-Ups investieren, Crowdfunding von Ladeinfrastruktur etc. Dieser Teil des Finanzmarkts ist allerdings teils mit größeren Risiken behaftet. Man kann nicht einfach aus einem Projekt aussteigen, das Projektrisiko ist größer und die Einstiegssummen teilweise hoch. Daher ist das für den kleinen Geldbeutel eher weniger geeignet, aber spannend. Aber die erwähnten Crowdfundinglösungen können hier teilweise Abhilfe schaffen.
Frank Huttel und vividam zeigen, wie nachhaltige Geldanlagen gezielt zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) beitragen können.
Im Interview betont Herr Huttel, dass selbst kleine Investitionen große Wirkungen entfalten können, wenn sie gezielt in nachhaltige Projekte gelenkt werden. Er gibt wertvolle Einblicke in die praktische Umsetzung der SDGs und zeigt auf, wie aktive Fondsmanager durch „Voice and Vote“ und Engagement Unternehmen transformieren können.
Herr Huttel ist überzeugt, dass die Zukunft des Finanzmarktes stärker auf die SDGs ausgerichtet sein wird, trotz globaler Herausforderungen.